Wieder zu Hause

Die erste Nacht zu Hause habe ich ganz gut geschlafen. Es war ca. 5:30, als ich aufwachte und mein erster Gedanke war: „Bitte, bitte keine Doppelbilder.“ Ich öffnete langsam die Augen und wischte mir den Schlaf aus diesen. Ein paar Mal noch blinzeln und dann wagte ich einen gezielten Blick auf das Bild, welches an der Wand am Bettende hängt.

Es ist ein schönes Bild. Ein wenig mystisch bei genauerer Betrachtung und viel erotische Eleganz. Ein Onkel von Helga malte dieses Bild, welche dafür auch Modell stand – oder kniete in diesem Fall.

Mein erster Blick, wenn ich munter werde, fällt also auf meine große Liebe – auf die Frau, die immer zu mir hält und auch wenn ich nicht genug von ihr bekommen kann, hoffte ich, sie heute nur einmal zu sehen.

Eine enorme Last viel von mir. Ich sah definitiv keine Doppelbilder. Große Euphorie war jetzt nicht zu verspüren, da ich ja ohnehin darauf eingestellt war. So bin ich halt. Positiv – meistens. Aber es war unglaublich beruhigend und da wir heute einen Feiertag hatten, machte ich die Augen wieder zu und schlief noch eine kleine Runde.

Natürlich kontrollierte ich mich im Laufe des Tages und auch das gesamte Wochenende permanent selbst, ob sich meine Optik irgendwie verändern würde. Alles blieb konstant.

Ich hatte nur das Gefühl, dass das von der Parese betroffene Auge etwas langsamer nachziehen würde. Das tat es aber auch vor der Operation, zumindest immer wenn ich müde war oder gestresst. Da gesellte sich dann auch gern mal ein wenig Schwindel dazu, aber das wisst ihr ja alles schon.

Auch jetzt hatte ich diesen Schwindel, den ich sonst nur mehr alle ein bis zwei Tage hatte, mehrmals am Tag. Das Ganze führte ich erstmals aber auf den sogenannte Bestrahlungskater zurück. Da fühle man sich schwach und müde, schrieb die Informationsbroschüre und wie gesagt, hatte ich das vor dem Eingriff ja auch schon.

Also reden wir vorerst nicht mehr darüber. Da war aber noch etwas, was wirklich spannend war. Die Sache mit der psychologischen Betreuung, die in der Broschüre stand.

Brauch(t)e ich nicht. Ich bin so ein positiver Mensch mit einem gesunden Anteil an dezenter Wurschtigkeit und so fühlte ich mich auch vor dem Eingriff.  Natürlich gab es da auch weniger gute Tage – darüber hab ich ja schon geschrieben. Aber ihr wisst ja, dass ich diese Tage immer relativ schnell wieder im Griff hatte und habe.

Also, warum sollte man sich psychologische Betreuung holen, wenn man ohnehin positiv ist und es demnach ja eigentlich nicht besser werden kann – lediglich gleichbleiben kann es.

Heute jedoch hatte ich so ein Gefühl und ich möchte jetzt zwei Tage in die Zukunft springen, wo dieses Gefühl noch viel intensiver werden würde. Es ist also einstweilen Sonntag und ich bin in Folge drei Mal aufgewacht, ohne dass sich die Sicht verändert hat. Das gilt jedoch nicht für die Sicht auf mein Leben.

Irgendwie reagiere ich seit ein paar Tagen ganz anders, wenn ich mit Helga über Urlaub spreche oder über Fitness, über Projekte, über Ziele und über unsere Zukunft. Es fühlt sich alles so „machbar“ an. Ich weiß, dass ich aufpassen muss, mich schonen und nicht zu sehr Gas geben sollte. Das ist seit April ein großes Thema für mich und wird sich auch die nächsten 2 Jahre, vielleicht sogar mein ganzes Leben lang, nicht sehr viel ändern. Und dennoch ist jetzt, drei Tage nach dem Eingriff, irgendwie alles ganz anders – noch viel positiver.

Ich denke an die Aussagen der zwei Ärztinnen im AKH: „Ich würde es tun, damit ich es einfach erledigt habe.“

Kann das wirklich sein, dass ich vor dem Eingriff, obwohl ich so super positiv eingestellt war, dennoch psychisch belastet war. Ja, das kann sein. Ich hätte mir das nie gedacht und ich bin total verblüfft darüber, wie gut es mir jetzt nach dem Eingriff psychisch geht, obwohl ich lachen muss, wenn ich diesen Satz schreibe, weil es mir ja eh so gut gegangen ist – mit und ohne Doppelbilder, mit und ohne Schwindel, mit und ohne Sensibilitätsstörungen.

Die Situation hat, auch wenn es mir nicht aufgefallen ist, mein Leben sehr belastet. Es hat wahrscheinlich sehr geholfen, diesen Blog zu schreiben, mich mitzuteilen und meine Situation weder zu ernst, noch zu locker zu nehmen. Vielleicht hat mir der Blog die psychologische Betreuung erspart, die ohne Schreiben notwendig gewesen wäre.

Wichtig ist, erkannt zu haben, dass man mit jemanden reden sollte. Ob das jetzt ein Arzt ist, Freunde, die zuhören können oder ein breites Publikum, das deinen Blog liest – wichtig ist, sich mitzuteilen und mit dem Problem nicht alleine zu bleiben.

Jetzt fühle ich mich toll. Ich brauch keinen Psychologen. Wirklich? Oder ist es nicht wieder eine ähnliche Situation wie vor der Behandlung? Vielleicht nach zwei Jahren, wenn feststeht, dass alles wieder in Ordnung ist, bekomme ich nochmals so einen Schub und stelle fest, dass ich noch positiver gestimmt sein kann.

Ich werde es wohl erst dann herausfinden und deswegen werde ich weiterschreiben, meinen Blog, meinen persönlichen Psychologen oder Motivator. Und allen, die in einer ähnlichen Situation sind, möchte ich sagen: „Teilt euch mit – in welcher Form auch immer“, denn manchmal bekommt man es gar nicht mit, dass es einem nicht 100%ig gut geht.

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