„Sie brauchen jetzt nicht jeden Tag kommen“

Im letzten Beitrag hatte ich über ein ausführliches Telefonat mit der Oberärztin der neurochirurgischen Station jenes Krankenhauses gesprochen, in dem ich eine Woche lang wegen einer Gehirnstammblutung in Beobachtung war. Es war ein gutes Gespräch und aus diesem ergab sich ein neuerlicher Termin in der zuständigen Ambulanz für mich. Dieser Termin war heute.

  • Doppelbilder: gleichbleibend
  • Sensibilitätsstörungen: gleichbleibend

Abermals führte mich mein Vater in das Krankenhaus, denn nach wie vor war ich alleine noch sehr unsicher unterwegs. Besonders im Straßenverkehr war ich durch die Doppelbilder schnell überfordert. Wie vor ein paar Tagen auch, brachte er mich direkt zum Eingang des Krankenhauses. Im Inneren hatte ich dann nicht mehr so große Probleme. Es war zu der frühen Stunde – es war erst halb acht – noch nicht wirklich viel los und ich hatte ja meine Brille mit der Prismenfolie mit, die mir jedoch wieder dieses flaue Gefühl vermittelte.

Bei der Anmeldung wollte man meinen Termin zuerst nicht so recht finden. „Ich hatte gestern ein langes Gespräch mit der Oberärztin und sie hat den Termin für mich vereinbart“, sagte ich der jungen Dame hinter dem Schalter. Diese schaute mich mit großen, leicht ängstlichen Augen an und fragte: „Sie sind ein Patient von Frau Doktor?“ Aus der Frage konnte ich Respekt heraushören und das gefiel mir. Nicht nur, dass mich die Ärztin gestern wirklich beruhigen konnte, dürfte sie hier auch etwas zu sagen haben.

Schnell war mein Termin danach gefunden und ich nahm in dem großen Warteraum Platz. „Ich hätte mir etwas zum Lesen mitnehmen sollen“, dachte ich, denn ein paar Tage zuvor, wusste ich nicht, wie ich mir die Zeit vertreiben sollte. Doch heute war das gar nicht notwendig. Noch bevor mein Vater aus der Tiefgarage hochkam, wurde ich bereits aufgerufen.

„Darf ich mal klar stellen, wer hier der Patient ist und Fragen hat!“

Ich nahm gegenüber eines Arztes Platz. Er sah mich an und nach einem kurzen „Guten Tag“ sagte er: „Sie brauchen jetzt aber nicht jeden Tag kommen, Herr Wastian.“

Zugegeben, jetzt war ich ein wenig perplex und auch ein wenig verärgert. Ich legte meine Hand vor ihm auf den Tisch, beugte mich ein wenig vor und sagte: „Okay, passen Sie mal auf. Ich hatte gestern ein langes Gespräch mit Frau Doktor. Ich habe ihr erzählt, dass ich nach Hause geschickt wurde, obwohl ich neue Symptome hatte, mir hat kein Mensch gesagt, wie ich mich zu Hause verhalten soll, ich habe auf eigene Faust ein neues MRT gemacht, kein Mensch hat sich diese Bilder angesehen, ich habe kein gutes Gefühl, ich habe Angst und das ist nicht nur Angst etwas falsch zu machen – wenn Sie mir sagen, zu wem ich gehen soll, dann gehe ich!“

Jetzt schien er etwas perplex zu sein. Ich fügte hinzu: „Diesen Termin hat Frau Doktor für mich vereinbart. Sie sollen sich alle Bilder ansehen, mir sagen, ob sich etwas verschlechtert hat und mir all meine Fragen beantworten.“

Und von nun an war er sehr freundlich zu mir. Er beantwortete mir all meine Fragen, auch wenn sie ihm ein wenig komisch vorkamen. Nur wenn sein Kollege sagt, dass ich nicht länger als 10 Minuten unter der heißen Dusche stehen soll, ist die Frage, ob ich aufs Föhnen verzichten soll, doch aus Sicht eines verunsicherten Patienten nicht ganz abwegig. Mir geht es doch nur darum, ein Gefühl dafür zu bekommen, was ich darf und was ich sein lassen soll.

„Warum nicht gleich, Herr Doktor?“

Die Bilder hat er sich angesehen. „Keine Verschlechterung“, konnte er mir einigermaßen glaubhaft vermitteln. Dennoch, ich werde bei Gelegenheit nochmals an anderer Stelle fragen. Ich musste ihm jedoch zu Gute halten, dass er zum Schluss sehr offen und ehrlich mit mir gesprochen hat: 

„Leben Sie ganz normal weiter. Übertreiben Sie es nicht. Achten Sie auf Blutdruck und Kopfschmerzen. Wenn etwas passiert, rufen Sie die Rettung, auch wenn wir Ihnen bei Ihrer Erkrankung hier ebensowenig helfen können, wie zu Hause.“ Er sagte dann auch noch irgendetwas mit „Tod“, aber bevor ich den Satz verdrehe, lass ich ihn lieber weg.

Auch wenn es sich jetzt komisch liest – dieses Gespräch hat mich unglaublich beruhigt, denn ich konnte meine Situation von da an ganz gut einschätzen.

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