Meine erste Nacht und die erste Visite

Habe ich schon erzählt, dass ich in einem Dreibettzimmer lag, genau in der Mitte, flankiert von zwei schnarchenden Männern? In Anbetracht dessen habe ich überraschend gut geschlafen, auch trotz der zahllosen Kabel, an denen ich hing und dem etwas unangenehmen Zugang, der mir, wofür auch immer, gelegt wurde. 

Also wie gesagt, war meine Nacht ganz in Ordnung und als die Schwester um 5:00 das Zimmer betrat, war ich natürlich schon längst munter. Wir tauschten ein kurzes leises „Hallo“ und Sie fragte mich, ob meine Nacht gut gewesen sei. „Sehr gut, danke“ antwortete ich leise und wartete danach noch eine Stunde, bis nun endlich auch offiziell der Morgen angebrochen war.

Nach wie vor hing ich an dieser Maschine, die permanent meinen Blutdruck und meinen Herzrhythmus maß. Ein Blick auf den Monitor sagte mir, dass meine Werte scheinbar die ganze Nacht ganz gut waren. Die ganze Nacht? Da schien mir doch ein Wert ein wenig niedrig zu sein. 

Blutdruck 94/41 um zwei Uhr und 91/51 um vier? Was war das? Also, ich bin ja jetzt kein Mediziner, aber das schien mir doch eine gute Frage für die Visite zu sein.

Und kaum hatte ich den Gedanken in mir, stand auch schon die Visite vor der Tür. Das ging mir jetzt definitiv zu schnell. Ich hatte keine Zeit, mir meine Fragen zu überlegen, ich hatte Hunger und eigentlich hätte ich schon ganz dringend mal … na ihr wisst schon. Doch nun stand der Arzt bereits im Zimmer und unterhielt sich mit meinem Bettnachbarn. 

Ich wollte mir ja noch schnell ein paar Fragen zurechtlegen, aber natürlich liegt es in der Natur des Menschen, mal schnell mitzuhorchen, was denn dem guten Mann neben mir eigentlich so fehlt. Und die DSGVO lässt an dieser Stelle grüßen. Da stand er nun, machte einen kurzen Blick in meine Fieberkurve, schaute mich an und fragte: „Wie geht es Ihnen?“ Okay, da musste ich erstmals nachdenken – obwohl ich mit dieser Frage ja eigentlich rechnen hätte können.  Ich begann meinen Satz mit einem langgezogenen und nachdenklichen „Jaaaaaa“ und vervollständigte diesen mit: “Grundsätzlich fühle ich mich gut, abgesehen davon, dass ich Doppelbilder sehe, wenn ich nach links blicke. Aber, nachdem ich hier verkabelt bin und selbst bis zur Toilette nicht alleine gehen darf, könnten Sie mir eventuell sagen, wie es mir geht?!“

Die Antwort war ernüchternd: „Sie haben eine Gewebsmissbildung, in der Fachsprache reden wie hier von einem Cavernom. Dieses hat zu bluten begonnen und durch die Raumforderung sind in Ihrem Fall Regionen beeinträchtigt, die zur Steuerung des Auges benötigt werden – deshalb die Doppelbilder. Tatsache ist, dass man an dieser Stelle keine Operation durchführt, da das zu gefährlich ist. Haben Sie sonst noch Fragen?“

Da hatte ich dann doch noch eine Frage – die ja faktisch auch auf der Hand lag. „Und wie geht es jetzt dann weiter? Und gehen die Doppelbilder wieder zurück?“ Der Arzt erklärte mir, dass man nun zuwarten müsse und die Bilder sich verbessern würden – aber es könnte durchaus auch Monate dauern. „Zunächst machen wir einmal ein MRT“, sagte er und fügte für eine begleitende Ärztin hinzu:“Organisieren Sie das bitte.“

Er verabschiedete sich und widmete sich dem nächsten Bett. Was wusste ich jetzt also?

Ich habe ein Cavernom, welches geblutet hat und man kann es nicht operieren und ich komme zum MRT. Und dann? Lassen wir das Teil da drinnen? Kann das wieder zu bluten anfangen?

Den Rest des Tages verbrachte ich mit fernsehen und essen und freute mich über den abendlichen Besuch geliebter Menschen.

Aber morgen bei der Visite frage ich nochmals genauer nach! Und das mit dem Blutdruck auch. Gute Nacht.