Eine etwas eigenartige Entlassung

Bereits bei der Visite gestern wurde mir meine Entlassung heute angekündigt und grundsätzlich freute ich mich schon darauf. Doch dann kam es zu einer Situation, die mich als Patient doch sehr beunruhigte. Es begann gestern am Abend …

Es war ungefähr 20 Uhr und ich bereitete mich auf die Bettruhe vor.Abendtoilette, noch ein paar Sachen herrichten und dann ließ ich mich wieder an die Maschine anschließen. Ich schaute mir eine Dokumentation auf YouTube an und wunderte mich, dass es überhaupt noch eine gab, die ich noch nicht kannte, denn in den letzten Tagen habe ich neben schlafen und essen fast nichts anderes gemacht.

Das Kribbeln im rechten Bein war heute ziemlich stark und da es unangenehm war – es tat zwar nicht weh, aber es irritierte mich sehr – läutete ich nach einer Schwester, um sie darüber zu informieren. Sie schickte mir dann einen Arzt, der mich dazu befragte und einige Tests machte. „Das kann nicht von der Blutung kommen“, sagte er nach der Untersuchung. Er wollte aber auch nicht so richtig auf meine Frage antworten, ob das davon kommen kann, dass ich nun schon ein paar Tage fast ausschließlich im Bett liege.

„Machen Sie sich keine Sorgen, ich komme morgen in der Früh noch einmal vorbei“, sagte er abschließend und verabschiedete sich. Das Kribbeln wurde stärker und stärker und so beschloss ich selbst etwas dagegen zu tun. Ich rief die Schwester und fragte sie, ob ich mich kurz abhängen darf, um mir die Beine zu vertreten. Damit hatte sie kein Problem, da ich ja ohnehin tagsüber nicht an der Überwachung hing.

Also ging ich am Gang ein paar Schritte auf und ab. Das Kribbeln ging nicht zurück – ganz im Gegenteil, es breitete sich in der gesamten rechten Körperhälfte aus. Am Arm, im Gesicht, am Ohr, am Kopf. Und natürlich nach wie vor im Bein. Ich sprach abermals den Arzt darauf an, aber eine andere Antwort als zuvor erhielt ich nicht. Ich legte mich dann wieder nieder und versuchte es zu verdrängen. Ich denke mich erinnern zu können, dass das Kribbeln vor dem Einschlafen wieder ein wenig nachgelassen hat.

In der Früh wachte ich dann ohne diese Sensibilitätsstörungen auf, die jedoch nicht lange auf sich warten ließen. Nach knapp 30 Minuten kam das Kribbeln, gefolgt vom Arzt. Wie versprochen, wollte er sich nach meinem Zustand erkundigen. Ich klärte ihn darüber auf und glaubte meinen Ohren nicht zu trauen, als ich seine Antwort hörte: „Es kann natürlich schon von der Blutung kommen.“ Wie bitte? Hatte dieser Arzt in der Nacht eine Zusatzausbildung gemacht, die ihn seine Aussage vom Vorabend widerrufen lies? „Das soll sich der Arzt von der Visite dann nochmals ansehen“, fügte er hinzu und verabschiedete sich. Wow, das verblüffte mich dann doch sehr.

Eine Stunde später kam der Arzt von der Visite. Nun stand er mit seinem Gefolge vor mir, klatschte leicht in die Hände und sagte: „Und Sie verlassen uns heute!“ Leider musste ich ihn in seiner Euphorie etwas bremsen und erwiderte: „Das, Herr Doktor, werden wir noch sehen.“ Ich erzählte ihm das nächtliche Geschehen. Sein Gesicht schlief fast ein, als wollte er sagen: „Na geh, was ist denn jetzt schon wieder mit dir los?“ Er blätterte hektisch in der Fieberkurve und befragte einen jungen Arzt oder angehenden Arzt, was denn er dazu sage. Dieser sagte wiederum, das könne nichts mit der Blutung zu tun haben.

Also, diesen Satz kenne ich ja einstweilen schon und langsam werde ich auch sauer. Mit Recht, wie sich später herausstellen sollte.

Leicht angesäuert von der Situation, sagte der Arzt der Visite: „Dann machen wir halt noch einen Bluttest mit ihm“, und ohne Verabschiedung bewegte sich der Tross zum nächsten Bett. Kurz darauf kam eine Schwester und nahm mir wie angekündigt ein wenig Blut ab. Dann ging es Schlag auf Schlag. Ein Träger (so heißen nämlich die Pfleger, die dich mit dem Rollstuhl in eine andere Abteilung führen – aber sie tragen dich nicht) holte mich ab, denn ich hatte noch einen Termin in der Augenambulanz, um mir eine Prismenfolie abzuholen. Dazu aber in einem eigenen Beitrag.

Nach einer Stunde, oder ein wenig mehr, kam ich zurück auf meine Station. Und jetzt wird es erst so richtig unverständlich für den Patienten:

Mein Bett war weg, meine Sachen bereits bei der Anmeldung und meine Entlassungspapiere ausgestellt. „Wir haben schon alles vorbereitet, Herr Wastian“, sagte die Schwester. Ich fragte, was denn eigentlich mit meinem Bluttest sei. Sie antwortete: „Ach ja, der ist auch schon fertig. Aber jetzt ist grad kein Arzt da, der was dazu sagen könnte.“ Ich blickte sie mal ganz lange ziemlich ungläubig an, bis sie die Situation mit einer Kollegin besprach. Sie beschlossen einen Arzt anzurufen.

Nach dem Telefonat sagte die eine Schwester zur anderen leise: „Er hat jetzt gesagt, das ist eh noch im Grenzbereich.“ Ein wenig abgeschwächt teilte sie mir diese Information dann auch mit. Also? Ich geh nach Hause! Ich setzte mich etwas unbefriedigt abseits der Information hin und wartete auf meinen Vater. Ich konnte das Geschehen bei der Stations-Information gut beobachten und so entging mir nicht, wie eine Ärztin aus einer anderen Station von einer Schwester aufgehalten wurde und zu dem Blutbild befragt wurde.

Diese warf einen Blick auf den Befund, hörte sich an, was der Arzt am Telefon sagte und stellte zwei Fragen: „Und was sagt der Patient?“ Dann eine kurze Pause ohne Antwort – dann die zweite Frage: „Und so habt ihr ihn gehen lassen?“ Das klang spannend. Ich stand auf, ging zu der Ärztin und sagte: „Sie können gern mit mir reden, noch bin ich da.“ Sie ließ sich von mir alles nochmals erklären und sagte mir abschließend: „Die Systematik ist wirklich etwas unüblich und ich kann auch nicht mehr tun, aber sofort wenn dieses Kribbeln stärker wird, oder sie andere Symptome haben, rufen sie die Rettung.“

Sie machte mir dann auch noch einen Kontrolltermin in der neurochirurgischen Ambulanz aus. Am Montag darauf. Zur Nachkontrolle. Ich wartete noch auf meinen Vater und verließ das Krankenhaus.

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