Mein erster Versuch als Grafiker

Ich bin Grafiker und ich sehe Doppelbilder. Würde ich mich jetzt in einem Vortrag befinden, würde ich an dieser Stelle eine dramaturgische Pause machen. Ich bin Grafiker und das bin ich auch gerne. Ich freue mich, wenn auf einem Blatt Papier oder dem Bildschirm etwas entsteht, was es vorher noch nicht gab. Jetzt sehe ich alles doppelt und das erschwert mir, das zu tun, was ich so gerne mache. Aber ich lasse mich nicht unterkriegen.

Zu Beginn der Gehirnstammblutung habe ich geradeaus noch nicht doppelt gesehen. Ich dachte, das alles sei irgendwie stressbedingt und es geht wieder vorbei – genau das sagte man mir ja auch in der ersten Augenambulanz. Doch im Krankenhaus verschlechterten sich die Symptome und nun sehe ich auch geradeaus doppelt.

„Mit der Zeit stellen sich immer mehr Fragen.“

Die ganze Zeit im Krankenhaus dachte ich nicht darüber nach, ob ich meinen Job wieder ausüben können würde, aber nun bin ich zu Hause und es ist bald ein Monat her, dass sich mein Leben verändert hat. Es ist Zeit herauszufinden, ob und wie mich diese Erkrankung einschränkt. Vorwegnehmen kann ich, dass ich es noch kann, aber das ist nicht die ganze Wahrheit.

Ich nahm mir also – das war allerdings schon gestern – ein altes Projekt her und probierte, wie es mir beim Zeichnen geht. In den ersten Minuten dachte ich, ganz gut, aber ich merkte schnell, dass ich den Kopf immer leicht nach links drehte, denn wenn ich mit den Augen nach rechts schaue, sehe ich keine Doppelbilder. Auch das erschien mir anfänglich nicht gar so unangenehm – das wird sich jedoch später nochmals ändern.

Ich zeichnete so vor mich hin und merkte auch, dass ich schnell müde wurde. Nach 15 Minuten machte ich mal eine kurze Pause. Ich holte mir ein Glas Wasser, machte ein wenig die Augen zu und entspannte einfach. Nach einiger Zeit konnte ich dann wieder weiterzeichnen, doch immer wieder musste ich kurze Pausen machen. Auch leichte Kopfschmerzen hatte ich. Nach drei bis vier Durchgängen, beschloss ich das Projekt auf den nächsten Tag zu verschieben.

„Das waren dann doch andere Komplikationen als ich erwartet habe.“

Das war gestern und heute habe ich dann das Projekt, einen Cartoon-Hund, fertiggestellt. Ich habe vier Mal so lange benötigt, wie sonst und vorgekommen ist es mir, wie zehn Mal länger. Aber das war gar nicht das Schlimmste dabei, durch die permanente Kopfdrehung nach rechts – in der Fachsprache nennt man das Kopfzwanghaltung – tat mir mein Nacken so wie mein gesamter Schultergürtel weh und auch die Kopfschmerzen, die ich gestern hatte, kamen davon.

Nun weiß ich nicht, ob das so gut ist, wenn ich das mache. Morgen bin ich ohnehin bei der Orthoptistin, da werde ich sie fragen, in der Hoffnung, dass sie mir sagt, dass alles wieder gut wird. Aber eines nehme ich schon mal positiv aus der Erfahrung heraus: Auch wenn ich Doppelbilder sehe und manche Sachen vier Mal so lange dauern, als audiovisueller Typ bin ich echt dankbar, dass nicht mehr passiert ist.

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